Montag, 18. Juni 2018

von Condylomen, Zigarettenrauch und Rektaluntersuchungen


Heute mag ich mal über ein Tabu-Thema schreiben. Mögen… naja so mehr oder weniger zumindest. Spaß macht das geringfügig. Das Schreiben schon, aber ich denk ja auch an eure Reaktionen und (Be-)Wertungen dieses Textes. Und es geht ja um mich, also sind das dann gleichzeitig (Be-)Wertungen von mir. Das macht mir schon schwitzige Hände. Aber ich liebe ja Herausforderungen und so…
Ich war heute im Krankenhaus. Für eine Präoperative Untersuchung. In der Gynäkologie. Ganz wenige Leute kennen bis jetzt den Grund dafür - meine engsten Vertrauten halt. Weil das ein Thema, eine „Erkrankung“ ist, über die frau nicht spricht. Sehr stigmatisiert.
Besonders fasziniert hat mein Verhalten mich, als mir mein Krankenhausbesuch vor fast einem Jahr in den Sinn kam. Da ging es um einen Knochenbruch. Mein linkes Schlüsselbein. Da bin ich damals ganz anders damit umgegangen. Das hab ich ja quasi gern herumerzählt. War irgendwie cool, mein erster Knochenbruch. Und lustig wie es dazu kam, dass das kleinste Pony auf dem ich bis dahin jemals gesessen hab mich so abserviert hat. Die Geschichte kennen ja die meisten von euch…
Auf jeden Fall war dieser Zwischenfall eigentlich viel blöder, als das um was es jetzt geht, nämlich: eindeutig von mir selbst verschuldet, schmerzhafter, langwieriger im Heilungsprozess, beeinträchtigt mich jetzt noch immer teilweise und dann kann man auch noch den kosmetischen Aspekt miteinbeziehen, weil das linke Schlüsselbein jetzt weiter raussteht als das rechte.
Das aktuelle Thema hab ich nicht selbst verschuldet, ist (bis jetzt) schmerzfrei, wird nach der Behandlung (hoffentlich) innerhalb von 2 Wochen verheilt sein und mich dann nicht mehr beeinträchtigen. Kosmetisch ist es auch kein großes Problem, weil diese Stelle sowieso nur wenige Menschen zu Gesicht bekommen.
Die Erkrankung selbst: viel harmloser, darüber zu sprechen: viel schwieriger.
Ich hab Condylome. Für alle Nicht-ÄrztInnen unter euch: Feigwarzen. Das könnt ihr jetzt ja mal googlen.
Da ich schon erwähnt habe, dass ich in der Gynäkologie war, könnt ihr euch ja auch schon denken, wo die wachsen. Für alle Nicht-Sherlocks: im Intimbereich.
Da denken jetzt viele von euch vielleicht: „ Pffff, nicht selbst verschuldet, hätte sie halt mal Kondome benutzt“. Hab ich mir auch gedacht, nur ein bisschen anders, nämlich: „Ich hab doch in den letzten 3 Jahren immer Kondome benutzt.“
Das hab ich auch der Gynäkologin im MedCampus IV in Linz mitgeteilt, die die präoperative Untersuchung gemacht hat. Und außerdem kam mir der Gedanke, falls ich mal einen Kinderwunsch verspüren sollte, dann muss ich das Kondom ja weglassen und stecke meinen Partner dann ja wissentlich damit an. Das macht mir fast ein schlechtes Gewissen! Aber, liebe Männer, lasst euch gesagt sein, die allermeisten unter euch tragen diesen Virus sowieso mit sich rum. Ebenso auch die Frauen. Bei allen bricht er halt nicht aus. Das ist so wie Angina. Die allermeisten von uns tragen den Virus und wenn das Immunsystem nicht ganz fit ist, dann hakt der Virus dort ein, wo ein Schwachpunkt im Körper besteht. Bei vielen ist das der Hals, bei mir halt meine Vulva. Und ein Kondom ist kein 100%iger Schutz.
Die Gynäkologin hat mich gründlich durchsucht und ein paar Fotos geschossen.
Dann hat sie mich zur nächsten Ärztin weitergeschickt, um einen OP-Termin auszumachen. Die hat mir dann auch gleich erzählt, dass sie eine operative Entfernung echt empfiehlt und dass ich froh sein kann, dass ich die Warzen nicht auf der Haut außen habe, denn dann müsste ich auch noch in die Dermatologie und da vereisen die die Warzen und das sei Scheiße. Sie spreche aus Erfahrung, sie hatte das auch schon. Ärzte sind eben auch nur Menschen. Fand ich sehr nett von ihr, dass sie mir das erzählt hat, gab mir ein Gefühl von „Ich bin nicht die einzige“.
Als nächstes musste ich zum Anästhesisten, weil die OP unter einer Vollnarkose durchgeführt wird. Der war grade nicht in seinem Besprechungsraum, kam aber nach ein paar Minuten um die Ecke geweht. Ich als überzeugte Nicht-Raucherin empfinde den Odeur von Zigarettenrauch ja eher als unangenehm. Aber als ich am Schreibtisch gegenüber des Mannes in orangem T-Shirt mit Geckoaufdruck und langen braunen Haaren Platz nahm und oben genannten Geruch vernahm, verlieh ihm das in meiner Wahrnehmung etwas menschlich imperfektes. Das tat wiederum gut. Ärzte sind eben auch nur Menschen.
Danach musste ich noch einmal zurück zur Gynäkologie, eine weitere Ärztin untersuchte mich, Bauchabklopfen und Stethoskop inklusive.
Die letzte Station war die Chirurgie. Da musste ich hin, weil die erste Gynäkologin --- ACHTUNG pikante Details --- sicher sein wollte, dass die Condylome, sprich Warzen, wirklich nur im vaginalen Bereich sind und sich nicht in das Innere meines Afters fortgepflanzt haben. Da müsste man nämlich anders operieren und einen anderen Termin ausmachen.
Für diese letzte Untersuchung musste ich in ein anderes Gebäude. Dort ging ich zur Anmeldung, zog eine Nummer und ging nach Aufruf in die Koje 4. Der Dame hinter dem Computer händigte ich die Überweisung aus. Sie fragte, um was es denn ginge. „Ich komme von der Gynäkologie, dort war ich zur präoperativen Untersuchung zur Entfernung von Condylomen und ich habe eine Überweisung bekommen zur Chirurgie um abzuklären, ob sich rektal auch Warzen befinden.“ *Stille* „Sans schwaunga?!“ „Ähm, na.“ Ich hab ihr das Ganze dann ein bisschen plakativer erklärt, diesen Wortlaut erspare ich euch – und mir – jetzt. „Aha“ *starren auf die Überweisung­* „Und was heißt das da?“ *zeigt auf Gekratzel der Ärztin* „Naja, ich weiß nicht was ACC bedeutet, aber das zweite Wort ist Condylome und da unten das heißt rektal.“ „Aha“ *weiteres Starren auf die Überweisung* *zeigt auf übriges Gekratzel* „und was heißt das?“ Ich hab ihr dann erklärt, dass ich das auch nicht wisse, worauf sie sich dazu entschieden hat, ihre Kollegin in der Nachbarkoje zu fragen. Die wusste es. Meine Anmeldungs-Dame tippte das dann in den Computer ein und wies mir den Weg in die Chirurgie.
Die Details dieser Untersuchung überlasse ich jetzt auch eurer Fantasie, nur so viel: Rektal is nix, das heißt der OP-Termin steht. Und ich hab einen guten Schließmuskel.

Ich überlege, ob ich das jetzt einfach so als Ende stehen lasse. Aber irgendwas will ich noch dazu sagen. Zum Beispiel, dass ich euch schonmal danke, dass ihr einen 3 Word-Seiten langen Blogeintrag gelesen habt. Und ich überlege, ob ich mich erklären soll, eine Antwort geben soll, auf die Frage, warum ich sowas schreibe und veröffentliche. Aber ich glaub, das lass ich. Das würde jetzt zu ausarten an Länge und Intensität. Ihr könnt euch ja selber Gründe ausdenken. Oder mich fragen, je nach Grad eurer Neugierde.
Bei dem Gedanken das jetzt online zu stellen erhöht sich mein Pulsschlag. Die Sicherheit, mich zu trauen geben mir die Personen, mit denen ich schon über das Thema gesprochen habe. Freundinnen, die mich im Arm gehalten haben, als ich meine ersten Schock-Tränen vergossen habe, mir vorgeschlagen haben mich abends spontan zu besuchen, obwohl sie eigentlich keine Zeit frei hatten und sich beim Reden so verhalten haben, als würde ich von einem gebrochenen Schlüsselbein erzählen. Danke.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen