Samstag, 14. Juli 2018

Condylome Teil II


„Bitte rufen Sie bezüglich der Aufnahmezeit am Tag vor der Operation zwischen 15:30 - 16:00 unter der Tel.Nr. (------------------) an.“
Montag, 09.07.2018, 15:30: Ich tippe die Nummer in mein Handy ein. Nach langem Tuten meldet sich eine Dame. Ich trage ihr mein Anliegen vor. Sie meint, um diese Zeit ist da aber niemand mehr da. Ja und jetzt? Sie kann mich dann doch irgendwohin verbinden. Die nächste Dame hebt ab. Ich sage mein Sprüchlein noch einmal auf. Ich bekomme die Auskunft: „Um 6:00 Uhr in der Früh bitte morgen am Med.Campus IV erscheinen.“

„Am Aufnahmetag melden Sie sich nüchtern in der Aufnahme Ambulanz Frauen, 1. Stock an und gehen im Anschluss daran auf die Station Gynäkologie/Pränatal 3. Stock.“
Dienstag, 10.07.2018, 6:00: Ich steige die Stufen in den ersten Stock hinauf. Bei der Ambulanz Frauen ist die Tür verschlossen, ich klingle. Eine verschlafen klingende Krankenschwester antwortet. Nein, da bin ich falsch, ich müsse mich beim Portier unten melden. Aha. Infozettel lügt. Ich gehe die Stufen wieder runter, melde mich beim Portier. Die Dame hinterm Tresen händigt mir eine Mappe mit vielen Zetteln drin aus und schickt mich nach oben. Im dritten Stock – Gynäkologie/Pränatal – überreiche ich die Formulare der Dame hinterm nächsten Tresen. „Jünger“ *Dame murmelt und blättert Kalender um* „Was machen Sie denn schon da, Ihr Operationstermin ist doch erst um 13 Uhr?“
Sie überreicht mir dann trotzdem ein Nachthemd, den Urinbecher und bringt mich in ein 4-Bett-Zimmer, dessen 2 Bewohnerinnen noch schlafen und zeigt mir mein Bett. Ich solle mich doch bitte umziehen, nichts unterm Nachthemd. Und den Becher einfach am Klo stehen lassen. Also gehe ich mich umziehen. Ganz sicher bin ich mir als Krankenhaus-Neuling nicht, aber dank diverser Krankenhaus-Serien vermute ich, dass das elegante Hemdchen hinten offen sein muss. Und in den Becher pinkle ich einfach mal rein, denn ihn leer im Klo stehen zu lassen erscheint mir irgendwie unsinnig. Passt dann auch alles so. Weil sonst nichts zu tun, lege ich mich schlafen. Kurz bereue ich, nichts zu lesen mitgenommen zu haben. Aber schlafen ist eh auch ganz schön. Kurz nach mir kommt dann auch eine zweite junge Dame ins Zimmer und belegt das vierte Bett. So gegen halb 8 betritt eine Gruppe junger hübscher Männer das Zimmer. Visite. Sie widmen sich erst der Patientin rechts von mir. Dann begeben sie sich an mein Bett. Der Anführer der Truppe blickt auf das Namensschild auf meinem Bett. Und starrt drauf. Und starrt drauf. Und starrt drauf. Ich will ihn von seiner offensichtlichen Verwirrung erlösen und sage: „I bin nu ned operiert worden, i hab erst heute um 13 Uhr den Termin.“ „Ja, das weiß i schon. …aber“, antwortet er und blickt endlich auf, „…. kennen wir uns irgendwoher??“
Was man oberflächlich betrachtet als billigen Anmachspruch interpretieren könnte hatte seine Berechtigung, denn nach ein bisschen hin und her finden wir die Verbindung: er war der erste Freund von einer sehr guten Freundin von mir. Ich hab ihn so vor ca. 10 Jahren ein- oder zweimal getroffen. So klein ist die Welt.
Nach diesem unterhaltsamen Intermezzo schlafe ich wieder ein bisschen. Dann kommt die Schwester und hängt mich an den Tropf, um einer Dehydrierung vorzubeugen. Ich muss ja nüchtern sein, das schließt auch trinken aus. Ein bisschen suspekt ist mir diese transparente Flüssigkeit schon, die da in meine Venen tröpfelt, aber es hilft und meine Mundschleimhaut fühlt sich wieder weniger wie Sandpapier an. Ich schlafe immer wieder ein, wache kurz auf, döse wieder weg. Die Dame diagonal gegenüber von mir wird zur Operation geholt. Ich schlafe. Ich tratsche ein bisschen mit meiner Bettnachbarin, die so um 10 Uhr rein kommt, weil sie ihren Termin um 14 Uhr hat. Ich schlafe. Schwestern kommen rein, üben Gehen mit der Patientin im Bett gegenüber und bringen ihr Mittagessen. Mein Magen knurrt. Ich schlafe. Die frisch Operierte kommt zurück. Ich schlafe. Es ist 13:15. Ich wundere mich. Die Patientin mit Termin um 14 Uhr wird zur Op abgeholt. Ich wundere mich noch mehr. Ich schlafe. Es ist 14:40. Die Tür öffnet sich. Junger hübsche Arzt und Ex-Freund meiner Freundin kommt rein. Ich weiß, irgendwas läuft da verkehrt. „Verena“ (wir sind jetzt schon per du) „I hab schlechte Nachrichten für di.“ „Ds wird heit nix mehr, oder?“
Er erklärt mir, dass es so zugeht heute im Op, drei ungeplante Kaiserschnitte sind dazwischen gerutscht und sie können mich heute leider nicht mehr dran nehmen. „I kann dir als Ersatztermin nächste Woche Montag, Dienstag oder Donnerstag anbieten, da richten wir uns jetzt natürlich ganz nach dir!“ Ich fühle mich überfordert, er sieht mir das wohl an und ergänzt, ich könne das aber auch später mit den Schwestern ausmachen. Drei davon stehen mittlerweile rund um mein Bett. Ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen soll. „Und jetzt bekommst du was zu essen und trinken!“, versichert mir der Gott in Weiß und die Krankenschwestern rauschen ab. Ich rufe ihnen noch schnell hinterher, dass ich gerne etwas Vegetarisches hätte. Der Arzt versichert mir, dass ich trotzdem einen Arztbrief für den Tag bekomme, für meinen Arbeitgeber. Dann versucht er sich noch zu erinnern, was es heute Vegetarisches gegeben hat, scheitert und ruft mir im Hinausgehen noch zu: „HPV impfen lassen!“
Ich rufe meine Mama an, sie muss mich doch nicht holen, ich kann mit dem Zug heim fahren.
Eine Krankenschwester bringt das Tablett mit dem Essen und einen Krug voll Wasser. Sie hebt den Deckel ab, nimmt den Salat raus: „Den gib i weg, der is scho ganz welch vom langen Herumstehen.“ Ich bin noch zu überrumpelt um zu protestieren. Ich bitte sie die Infusionsnadel aus meinem Arm zu ziehen und frage ob ich mich jetzt auch wieder anziehen darf. Ich darf. Ich sitze am Tisch und fülle meinen Magen mit Pizza, auf der so viel Käse ist, dass sich mein Cholesterinspiegel noch vor Ort verdreifacht.

Nachdem ich den letzten Krümel der Nachspeise verputzt habe, schnappe ich meinen Rucksack und gehe raus. Am Tresen bespreche ich mit den Schwestern meinen Ersatztermin. Aber mir passt es nächste Woche nicht rein, also lassen wir das mal offen und einigen uns darauf, dass ich anrufe, wenn ich weiß, wann ich Zeit habe.
Am Weg zum Bahnhof liegt die Praxis meines Gynäkologen. Ich kenne seine Öffnungszeiten nicht auswendig, aber gehe auf gut Glück rein. Er ist da. Ich lasse mir nun doch die Tinktur verschreiben, von der er bei der ersten Untersuchung meinte, sie wird nicht mehr helfen. „Einmal täglich, am besten abends auf die befallenen Stellen auftragen, 10 Tage lang. Kann sein, dass sich erst nach der 10-tägigen Anwendung eine Veränderung zeigt.“
Heute ist Tag 4. Die Hälfte der Warzen ist weg.