Dienstag, 25. April 2017

Ganz wichtig is, nie in einer Reihe!

Nach zwei Monaten in Österreich packt mich wieder die Reiselust. Anfang Mai werde ich Richtung Norden in Österreichs Nachbarland mit einer weiteren Episode workaway starten. Aber darüber berichte ich euch, wenns wirklich so weit ist.
In der Zwischenzeit gibt’s eine kurze Erzählung über das eintägige Wildniskultur-Seminar, an welchem meine Mum und ich vergangenen Freitag teilhaben durften:
Als ich Anfang März noch in Linz gearbeitet habe, hat mich die liebe Christina mal gefragt, ob ich am Freitag  Abend denn Zeit hätte, mir einen Vortrag über Holzer’sche Permakultur bzw. Wildniskultur anzuhören. Ich hatte Zeit und so lernte ich Vortragende Judith Anger kennen.
Ihr alle wisst, dass es in der Landwirtschaft unterschiedliche Modelle gibt. Zum einen, die konventionelle Landwirtschaft – die an einem Großteil der CO²- und Methan-Emissionen verantwortlich ist, die die Klimaerwärmung beschleunigen und auch sonst sehr fragwürdig mit unserer Mutter Erde umgeht. Weiters gibt es die biologische Landwirtschaft, deren Vertreter schon etwas nachhaltiger mit den Ressourcen haushalten, aber immer noch nicht wirklich auf die Bedürfnisse der Natur eingehen. Holistischer ist „Demeter“ oder bio-dynamisch, eine Wirtschaftsweise von Rudolf Steiner entwickelt, der auch die Waldorfschule gegründet hat. www.demeter.at beschreibt das so:

 Biodynamisch zu wirtschaften bedeutet, dass der Bauer und die Bäuerin ihre Arbeit als ganzheitlich verstehen. Individuell  an die Bedingungen des jeweiligen Hofes angepaßt, geht es darum einen Betriebsorganismus, ja eine - wie Rudolf Steiner es ausdrückt - "Art von in sich geschlossener Individualität"  zu entwickeln.
Dabei werden die irdischen und kosmischen Lebenszusammenhänge und Rhythmen berücksichtigt.

Dann gibt es noch die Permakultur, entwickelt von dem Australier Bill Mollison. Permakultur nimmt natürliche Ökosysteme als Vorlage für menschlich geschaffene Systeme.
Der sogenannte Agrarrebell Sepp Holzer, Sohn einer tiroler Bergbäurin, hat von Kindheit an Gefallen daran gefunden die Natur und das Zusammenspiel von Pflanzen zu beobachten. Dabei ist ihm aufgefallen, dass sich bestimmte Arten beim Gedeihen unterstützen, es sich also positiv auswirkt, diese nebeneinander zu pflanzen. Aus diesen Erkenntnissen entstand die „Holzer’sche Permakultur“. Der Grundgedanke ist derselbe, wie bei der Permakultur, bei der Umsetzung gibt es jedoch markante Unterschiede. Um einer Verwechslung vorzubeugen verwenden Holzers Schüler den Namen „Wildniskultur“.
Mit Sepp Holzers Büchern bin ich zum ersten Mal 2011 in Berührung gekommen, bei einem workaway Aufenthalt in Italien. Damals hat mich die Thematik schon interessiert, nach der Abreise habe ich mich ihrer aber nicht weiter gewidmet.
Bis also zu jenem Freitag, an dem ich den Vortrag von Judith Anger hörte. In dem Buch „Jedem sein Grün“, das im „Eintrittspreis“ enthalten war, lag eine Postkarte mit der Ankündigung „Wildniskultur im urbanen Bereich – Tagesworkshop“. Ein optimales Geburtstagsgeschenk für meine Mum, dachte ich mir und meldete uns an.
Am Freitag um 9 Uhr standen wir also in Maria Enzersdorf und bekamen selbstgemachten Löwenzahnsirup zur Begrüßung (ergänzt durch Mamas selbstgemachten „Burgenländischen Nusskipferln“). Zu Beginn zeigte uns Judith nochmal die Power-Point-Präsentation mit einer Begriffserklärung, Fotos und Geschichten zu ihrem Wildniskultur-Projekt im Südburgenland und einer Folge der ORF-Serie über das Projekt. Sie erklärte uns Begriffe wie „Urproduktion“ und anderen fachmännischen Ausdrücken und Gesetzeslagen (sie hatte gerade die Landwirtschaftsschule gemacht und war up-to-date mit Informationen über das Landwirtschaften in Österreich).
Im Reihenhausgarten ihrer Tante lehrte Judith unserer illustren Frauenrunde (Achtung Klischee!) beim Beikraut jäten, Kräuter fassonieren und Beerenbüsche zurückschneiden vieles über Zier- versus Nutzgärten und Selbstversorgung, welche Kräuter Schnecken eher meiden (Thymian, Rucola, Borretsch, Schnittlauch, Schwarzwurzel) und wann man am besten gießt (nachts). Der Jack Russel Terrier Ludwig und der Bernersennenhund/Labrador-Mix Jamie überwachten jeden Handgriff und genossen so manche Streicheleinheit. Während dem köstlichen Mittagessen, bestehend aus Gemüse-Kräuter-Reis und Wildkräuter-Salat aus dem Garten, tauschten wir Geschichten über Vormundschaften, Baurecht und weitere Herausforderungen, die das Leben bietet, aus.
Am Nachmittag widmeten wir uns dem Hügelbeet – wichtiger Bestandteil in einem Wildniskultur-Garten. Alte Pflanzen wurden entfernt und kompostiert und neues Saatgut mit wunderschönen Namen wie Valerianella locusta“ (Feldsalat) ausgesät. Große Samen wie von Mais, Bohnen und Kürbis werden gesteckt. Kleines Saatgut, z.B. von Salat, Radieschen, Kräutern, etc, wird zuerst vermischt und dann über das Beet gestreut. O-Ton Judith: „Ganz wichtig is, nie in einer Reihe!“ Nach dem anschließenden Mulchen des Beets rückten wir den leuchtenden gelben Blüten zu Leibe. Bei jedem Brechen des Stängels gab die Blume ein lautes Plopp von sich, wie um den Rhythmus anzugeben. Bevor man die Löwenzahnblüten zu Sirup, Honig oder Gelee weiterverarbeiten kann, muss der grüne Teil akribisch von den gelben Blütenblättern getrennt werden, sonst wird das Endprodukt bitter. Wie wir da so im Kreis saßen, auf der Terrasse unter dem Dach und Blüten zerlegten war ein gutes Gefühl – Kräuterfrauen unter sich, schaffend im Einklang mit der Natur und obwohl die sich die meisten von uns zum ersten Mal getroffen haben, war die Atmosphäre vertraut.


Ich habe mir von diesem Tag viel mitnehmen können: neues Wissen übers Gärtnern, neue Bekanntschaften, ermutigende Geschichten und einen neuen Leitsatz, der gleichzeitig der Titel dieses Blogeintrages ist: Ganz wichtig is, nie in einer Reihe!
Also wenn es euch mal packt und ihr Lust auf etwas Gartenarbeit in inspirierender Gesellschaft habt, schaut mal auf Judiths Website da sind ihre Workshops und Seminare ausgeschrieben!

Alles Liebe und bis bald!